Grünflächenpflege

... und solche, die eine sein sollen.

Maßnahmen zum "Nationalpark Garten" etc. (17.5.2019)

Von: Gerhard Kuchta <gerhard_kuchta@hotmail.com>
Gesendet: Freitag, 17. Mai 2019 14:48
An: Stadträtin Kathrin Gaal; Wiener Bürgermeister; BOKU; BMNT; Global 2000; Greenpeace
Cc: landesbuero.wien@gruene.at; ombudsstelle@fpoe-wien.at; info@wien.oevp.at; wien@neos.eu; Ernst Schreiber; Walter Kuchta; Robert Pospichal; Mag. Asoka Michael Schuster
Betreff: Konkrete Maßnahmen zum "Nationalpark Garten" bzw. zu "Insekten - Förderung der Biodiversität" der Stadt Wien
 
 
Sehr geehrte Damen und Herren,
 
Projekte wie "Nationalpark Garten" und - damit ja unmittelbar zusammenhängend - "Insekten - Förderung der Biodiversität" der Stadt Wien sind selbstverständlich angesichts der bedrohlichen ökologischen Lage nur zu begrüßen. 
 
Und wie zu so vielen anderen Themen sind nationale wie auch internationale Konferenzen, Pressemeldungen und PR-Maßnahmen nötig, um die Bewusstseinsbildung zu fördern, die zu setzenden Schritte national wie international besser zu koordinieren, Best Practice-Modelle zu finden und so weiter. 
 
Doch was wäre das alles ohne die konkreten Maßnahmen und deren tatsächliche Umsetzung?
 
Als Mietervertreter in einer großen Wohnhausanlage sind wir tagtäglich mit Problemen konfrontiert und haben dazu gehörige Lösungen in die Wege zu leiten. Zwei Vorschläge davon beschäftigen sich genau genommen auch mit dem im Betreff erwähnten Themenkreis. Und wir glauben, dass eine Besonderheit im kommunalen Wohnbau der Stadt Wien dazu verhelfen könnte, in diesem Bereich nicht nur einen wesentlichen Beitrag zu leisten, sondern sogar beispielgebend zu sein:  
 
  1. Wiener Wohnen verwaltet - als dem Vernehmen nach größter Hauseigentümer und -verwalter Europas - in den weit über 2000 Gemeindebauten der Stadt Wien rund 6 Millionen Quadratmeter Grünfläche. Und diese werden alle nach den unter Punkt 2 genannten, für Österreich geltenden Vorgaben der "gärtnerischen Normpflege" betreut - allein in unserer Wohnhausanlage sind es über 64.000 m2 Grünfläche. Durch Anlaufschwierigkeiten bei einem Betreuungswechsel haben wir im Jahr 2008 gemerkt, welche Pflanzenvielfalt in unseren sonst kurz gemähten Wiesen vorhanden ist: Margariten, Mohn- und Kornblumen et cetera. Was wäre also wenn man etwa ein Drittel oder Viertel dieser Flächen pro Wohnhausanlage ein Jahr (oder zwei Jahre .... da sollen die Fachleute entscheiden) unter Kennzeichnung als Naturwiese - damit die Mieter den Grund für diese Maßnahme kennen - nicht mähen, sondern für die Insekten, aber auch für die Menschen wachsen lassen würde? Und dann wechselt man in der Folgeperiode auf das nächste Viertel/Drittel, damit sich auch dieser Effekt gleichmäßig über die Anlage verteilt. Bei einem Drittel wären das 2 Millionen Quadratmeter Naturwiese mehr in Wien!
  2. Ebenso anzudenken wäre eine Anpassung des Betreuungsplans in der gärtnerischen Normpflege an die geänderten klimatischen Bedingungen. Natürlich ist der konkrete Bedarf vom tatsächlichen Wetter des jeweiligen Jahres abhängig. Aber wir merken bereits eine gewisse Konstanz in den durch die Einhaltung der heutigen Vorgaben auftretenden Probleme. Insbesondere bei den späteren (inzwischen zu häufigen) Mähgängen rattern die Maschinen längst über gar nicht mehr vorhandenes weil vertrocknetes Gras und schaden daher der Substanz mehr als sie nutzen. Hier sollte umgehend die bestehende Norm überdacht werden.
 
Natürlich wäre mit dieser Maßnahme auch eine - für die Mieter im sozialen Wohnbau sicher herzlich willkommene - Kostenreduktion für den Aufwand in der Grünflächenpflege verbunden.
 
Bitte um Ihre geschätzte Rückäußerung dazu. Selbstverständlich ist das ein laienhafter Vorschlag. Wir werden uns freuen, wenn die Spezialisten hier noch bessere Ideen zur Umsetzung bringen. Wir meinen nur: Dieses Potential von allein schon hier 6 Mio. m2 Grünfläche sollte unbedingt Berücksichtigung finden.
 
  
Für den Mieterbeirat im Hugo Breitner Hof 
mit freundlichen Grüßen

Gerhard Kuchta

(Schriftführer)
 
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    Webmaster

    Von: WrW Dezernat Beschwerdemanagement 
    Gesendet: Freitag, 7. Juni 2019 12:11
    An: gerhard_kuchta@hotmail.com
    Betreff: AW: Kuchta Gerhard: Konkrete Maßnahmen zum "Nationalpark Garten" SAP 1472 0253

    Sehr geehrter Herr Kuchta,

    Ihr Vorschlag in den Grünanlagen von Gemeindebauten Blumenwiesen anzulegen ist nicht neu und dies ist seit 1988 grundsätzlich möglich. Es gab auch schon etliche Versuche die alle scheiterten, vor allem deshalb weil die Überwiegende Mehrheit der BewohnerInnen höher werdenden Rasen nicht positiv bewertet. Diesbezüglich kann auf die Beschwerden, auch des Mieterbeirates des Hugo-Breitner-Hofes 2008, über hohes Gras hingewiesen werden. Dazu kommt das in den städtischen Wohnhausanlagen in der Regel mächtige humose Deckschichten sind welche zusätzlich meist hohe Stickstoffwerte aufweisen. Der N-Eintrag erfolgt aus dem NOx, welcher sich möglicherweise in den kommenden Jahren erhöht, da die Stadt den CO2-Ausstoß des Verkehrs bis 2050 auf 0 senken will. CO2 entsteht unter anderem durch die Verbrennung fossiler Energieträger. Verkürzt gesagt stoßen aus technischen Gründen Benzinmotoren mehr CO2 aus als Diesel-Motoren. Wenn über Nachrüstungen von Dieselautos gesprochen wird, geht es darum, die NOX-Grenzwerte einzuhalten. Zugleich ist es aber anscheinend möglich, dass sich dadurch auch der CO2-Ausstoß erhöht. Wenn der CO2-Ausstoß minimiert wird ohne gleichzeitig den KFZ-Verkehr mit Verbrennungsmotoren massiv einzuschränken werden verstärkt Dieselmotoren verwendet, welche den NOX-Ausstoß erhöhen und damit eine „N-Düngung“ bewirken. Dieser N-Überschuss auf humosen Deckschichten führt zu artenarmen Fettwiesen, welche bei einer Landschaftsrasenpflege als Habitat kaum besser als ein Weizenfeld sind.

    Nach den Untersuchungen von Reichholf und Kunze und vor allem der "Krefelder Studie" ist das Anlegen umfangreicher Blumenwiesen in den städtischen Wohnhäusern unter Umständen sogar kontraproduktiv. Es findet sich in den Empfehlungen des Weltbiodiversitätsrates (IPBES) zur Förderung bestäubender Insekten auch die Empfehlung zur Anlage bestäuberfreundlicher Gestaltung von Straßenrändern und Gärten - reduzierte Mahd, wobei ausdrücklich darauf hingewiesen wird das dies auch negative Auswirkungen haben kann!

    Es sind in Wohnhausanlagen die dem MRG bzw. WEG unterliegen – gilt in ganz Österreich - ortsübliche Rasenflächen zu erhalten (MRG § 3), wobei gem. ÖNORM L 1111 Pkt. 3.14 1) grundsätzlich ein Gebrauchsrasen herzustellen und gem. ÖNORM L 1120 Pkt. 7.1.1 zu erhalten ist. Naturnahe Wiesen, genauer „Begrünungen mit Wildpflanzensaatgut“ gem. ÖNORM L 1113 und ONR 121113 sind theoretisch möglich, allerdings auf Grund des üblicherweise äußerst naturfernen Bodens in den Wohnhausanlagen nur mit hohem Aufwand herstellbar, wofür in der gegenständlichen Wohnhausanlage keine finanziellen Mittel zur Verfügung stehen. Grundsätzlich könnte auch ein Landschaftsrasen (z.B. Schmetterlingswiese etc.) hergestellt werden, der gem. ÖNORM L 1120 Pkt. 7.1.1 zu erhalten ist (0 – 3 Rasenschnitte pro Jahr).

    In den 1990er Jahren erfolgte, von den damals üblichen 10 Rasenschnitten in den städtischen Wohnhausanlagen, eine Reduktion mit zwei Zielen. Erstes und wichtigstes Ziel war die Kostenoptimierung und das zweite Ziel war die Steigerung der Biodiversität. Das derzeit übliche ca. monatliche Mähen (7 Schnitte pro Jahr) ist eine äußerst extensive Gebrauchsrasenpflege. Gem. ÖNORM L 1120 Abs. 7.1.1 ist für den Erhalt eines Gebrauchsrasens eine Schnitthäufigkeit von 6-20 Schnitten pro Jahr, in Abhängigkeit von der Funktion, erforderlich. Der Vorwurf das Insekten auf diesem Rasen keine Blüten finden ist im Wesentlichen korrekt, übersieht jedoch, dass der kurze Rasen verschiedenen Tieren einen Lebensraum bietet den sie bei einem hohen Rasenwuchs nicht hätten. So findet sich in der Literatur zum Beispiel die Dohle die kurz geschnittene Rasenflächen „liebt“ da sie genau dort ihre Nahrung findet. Schuld am Habitatverlust wurde primär der Land- und Forstwirtschaft gegeben und in den Städten der Versiegelung und der Art der Grünanlagenpflege. Als Alternative wurden die Naturschutzgebiete mit Schutz vor menschlichen Eingriffen betrachtet. Wie zahlreiche Studien belegen ist die Biodiversität in Städten aber wesentlich größer als auf dem Land und das Naturschutzgebiete mit Blumenwiesen etc. fast so schlecht wie konventionelle Landwirtschaftsflächen sind drang erst 2017 in das Bewusstsein der Bevölkerung als die unter Federführung des niederländischen Ökologen Caspar Hallmann von der Radboud-Universität in Nimwegen erschienene Arbeit, die auf Daten des Biologen Martin Sorg und seiner Kollegen vom Entomologischen Verein Krefeld fußt, veröffentlicht wurde.

    In der Literatur findet sich folgendes: „Die Entwicklung eines Gebrauchsrasens ergibt bei Pflegeextensivierung (ein- bis dreimalige Mahd) beim Durchwachsen in den ersten Jahren floristisch artenarme Bestände, in denen kaum Wiesenarten vertreten sind (hoher Grasanteil und geringer Prozentsatz von Wiesenarten im Ausgangsbestand). In Parkrasen, die auf humosen Deckschichten wachsen, kann der „Aushagerungsprozeß“ (z.B. durch dreimaligen jährlichen Schnitt) Jahrzehnte dauern (N. Müller 1989). Die Aushagerung oder Ausmagerung von Rasenflächen um Wiesen zu erhalten ist also oft sehr schwierig oder nahezu unmöglich. (Höttinger 2000) Falls geeignete Pflegemaschinen für Extensivrasenflächen zur Verfügung stehen, können die Kosten (auf Grund von viel Handarbeit) über das Doppelte teurer werden, als die Intensivrasenpflege (Albertshauser 1985) – sonst wird es noch teurer. Generell kann man sagen, dass extensive Grünflächenpflege (Langschnitt) dann und nur dann billiger – oder zumindest nicht teurer - als die herkömmlichen Schnittmethoden sind, wenn entweder das Schnittgut auf der Fläche verbleiben kann oder wenn große, geeignete Flächen mit landwirtschaftlichen Maschinen in landwirtschaftlichen Verfahren bearbeitet werden können. Weder kann das Schnittgut auf den freien Flächen verbleiben und in den Wohnhausanlagen können in der Regel auch keine landwirtschaftlichen Maschinen verwendet werden. Wenn man eine „Blumenwiese“ will muss man auf nährstoffarme Standorte, kräuterreichen Ausgangsbestand und auf die Entfernung des Mähgutes achten. (Höttinger 2000)“

    Drei Punkte stehen in der „Causa Insektenschwund“ in der Regel außer Streit:

    1) Insekten spielen als Bestäuber eine zentrale Rolle in den Ökosystemen der Erde und sichern somit unsere Ernährung. Doch seit Jahrzehnten gehen weltweit die Bestände zurück — auch in Naturschutzgebieten.

    2) Als Ursachen gelten: Verlust von Lebensräumen, strukturelle Verarmung von Wald-, Acker— und GartenIandschaften, Einsatz von Düngern und Pestiziden, sowie der Klimawandel.

    3) Die Eindämmung der Risikofaktoren wäre ein Ausgangspunkt für eine Trendwende. Dieses Ziel lässt sich nur im gesamtgesellschaftlichen Konsens verfolgen, bei dem sich alle gemeinsam um Lösungen bemühen.

    Seitens der Stadt Wien - Wiener Wohnen gab es in der Vergangenheit Versuche mit Mahdreduktionen die als Ergebnis zu Fettwiesen führten die ökologisch einem Zierrasen entsprechen und damit erheblich weniger Habitate anbieten als die aktuellen Rasenflächen. Weitere Versuche erfolgten mit der Ausbringung von Blaustern, Frühlingsknotenblume, Lungenkraut, Krokus, Botanischen Tulpen (Wildtulpen) etc. und spätem Mahdtermin. Dies führte zu erheblichen Kosten und innerhalb weniger Jahre verschwanden diese Frühlingsblüher fast vollständig. Vor allem Krähenvögel, Wühlmäuse und scherende Hunde dürften an dem Verschwinden schuld sein.

    Unter Berücksichtigung der Stellung der Stadt Wien - Wiener Wohnen als Hauseigentümer und - verwalter ist diese an die Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes gebunden, zumal die Ausgaben für die Erhaltung der Grünflächen, deren Bewuchs und die gärtnerischen Pflegearbeiten von den betroffenen Mieterinnen und Mietern im Wege der Miete aufzubringen sind. Das Mietrechtsgesetz verpflichtet den Vermieter die der gemeinsamen Benützung der Bewohner des Hauses dienenden Anlagen im jeweils ortsüblichen Standard zu erhalten. (BGBl. Nr. 520/1981 idgF § 3 - Mietrechtsgesetz) Ortsüblich in Wien ist ein Gebrauchsrasen in Mehrparteienhäusern. Zusätzlich ist der Eigentümer verpflichtet zu sorgen, dass u.a. auch die Gärten in einem gutem Zustand erhalten werden.

    Diese wirtschaftlichen Gründe zwingend berücksichtigen zu müssen, führen dazu, dass keine Pflanzungen von Blumenbeeten durch die Stadt Wien - Wiener Wohnen beauftragt werden, die es bis Mitte der 1980er Jahre noch gab. Die Pflanzenauswahl orientiert sich an den gegebenen Standortbedingungen, um eine möglichst kostengünstige Grünanlagenerhaltung zu gewährleisten. Erst in zweiter Linie kommt die ästhetische Leistungsfähigkeit, zu der Blüten gehören, an denen Bestäuber „mitpartizipieren“. Ebenso stellt der im Sommer kurz gehaltene Rasen (sieben Mähgänge pro Jahr) ein wertvolles Insektenhabitat dar (Wildbienen, Spinnen etc. bevorzugen warmen offenen Boden - "verbrannten" Rasen im Sommer). Der derzeit gewählte gärtnerische Pflegemodus ist jedenfalls die für die Mieter und Mieterinnen kostengünstigste Variante.

    Laufende gärtnerische Pflegearbeiten sind im Wege der Betriebskosten unmittelbar über die monatliche Miete zu refinanzieren, jegliche Art von Erhöhungen der Miete findet generell keine Akzeptanz bei unseren Bewohnern. Als Beispiel darf auf die aktuelle in der Öffentlichkeit geführte Diskussion über kaum noch zu finanzierende Mieten Anbetracht der derzeit angespannten wirtschaftlichen Lage am Arbeitsmarkt hingewiesen werden.

    Bei der laufenden gärtnerischen Pflege ist der Lohnkostenanteil (d. h. Zeitaufwand) der absolut größte Preisanteil. Die laufende gärtnerische Pflege in den städtischen Wohnhausanlagen muss sich daher aus oa. Gründen primär an einer Zeitaufwandsminimierung richten.

    Das bei Bienen- oder Schmetterlingswiesen keine oder nur eine geringe Rasenpflege erforderlich ist, ist nicht korrekt. Es sind weniger Mähgänge nötig die jedoch erheblich mehr Zeit benötigen als bei einem extensiv betreuten Gebrauchsrasen, wie er derzeit Standard ist, hinzu kommt das für die Reinigungsarbeiten und das Entfernen unerwünschten Aufwuchses der Aufwand steigt und auch die Aufwände bei Maßnahmen gem. der Verordnung des Magistrats der Stadt Wien betreffend die Bekämpfung der Ratten usw. Hinzu kommen die Kosten für das Herstellen einer Bienen- oder Schmetterlingswiese, wobei man bei den Schmetterlingswiesen auch die Raupen-Habitate nicht vergessen darf.

    Lt. Mitbestimmungsstatut (§ 16 (3)) könnte auf Ihren Wunsch eine Bienen- oder Schmetterlingswiese in Teilen des Hugo-Breitner-Hofes hergestellt werden, aber dann müssten im Sinne des § 4 Abs. 3 Z 2 MRG 100% der Mieter damit einverstanden sein.

    Für Beratungsgespräche stehen meine Kollegen und ich Ihnen gerne zur Verfügung.

    Mit freundlichen Grüßen

    XXX

    Referentin

    Stadt Wien - Wiener Wohnen

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