Anzeige: Wucherei im Gemeindebau
02.06.2008 | 18:08 | MARTIN STUHLPFARRER (Die Presse)
EU-Kommission soll untersuchen; die Mieter setzen die Staatsanwalt auf Wiener Wohnen an.
WIEN. Auf Wiener Wohnen kommt gewaltiger Ärger zu. Wie die „Presse“ erfährt, wird sich die EU-Kommission nun Wiener Wohnen, das die 220.000 Wohnungen der Stadt verwaltet, zur Brust nehmen. Der Verdacht: Verstoß gegen EU-Ausschreibungen sowie Wucher. Als ob das nicht genug wäre, wird bei der Staatsanwaltschaft in den kommenden Tagen eine Anzeige eintrudeln; ebenfalls wegen Wucherei.
Schuld ist der Rasen
Auslöser ist der Rasen. Nicht ein EM-Rasen, sondern die 84.000 m2 große Grünfläche im Hugo Breitner-Hof, der zu den größten Wiener Gemeindebauten zählt. „Wiener Wohnen hat die Rasenbetreuung von Privaten einfach an eine Tochterfirma übergeben“, erzählt Mieterbeirat Ernst Schreiber. Die Folge: statt durchschnittlich 70 Cent pro Quadratmeter bezahlen die Mieter nun 1,68 Euro pro Quadratmeter. Schreiber: „Das schlägt dem Fass den Boden aus.“ Deshalb hätten die Mieterbeiräte des Hugo Breitner Hofs die EU-Kommission (Bereich Konsumentenschutz) um Hilfe gebeten. „Jetzt kam das Antwortschreiben, dass die EU veranlassen wird, dass diese Sache untersucht wird“, erzählt Schreiber: „Man muss sich vor Augen führen, welche Summe diese Kostensteigerung bei 84.000 m2 Grünfläche ausmacht.“
Konkret soll sich die EU-Kommission ansehen, ob die Vergabe der Grünflächenbetreuung (für die Wiener Gemeindebauten) an die eigene Tochterfirma nicht gegen EU-Vergaberichtlinien verstoßen hat. Daneben soll der Preis auf Wucherei kontrolliert werden.
Weshalb die Mieter doppelt erbost sind: Seitdem die Wiener Wohnen-Tochter die Grünflächen-Betreuung übernommen hat, zahlen sie deutlich mehr; die Betreuung sei aber deutlich schlechter. „Es gibt Wien-weit Probleme mit dieser Tochterfirma – wie wir von anderen Gemeindebauten erfahren haben“, erzählt Schreiber: „In einigen Gemeindebauten stehen die Distel schon fast zwei Meter hoch; weil die Wiener Wohnen-Tochter ihrer Arbeit nicht nachkommt.“ Argumentiert hätte das Unternehmen den Verzug mit dem Wetter, so Schreiber: „War das aber so schlecht, dass Rasenmähen unmöglich war?“
Staatsanwaltschaft ermittelt
Einem weiteren Mieterbeirat, Gerhard Kuchter, reicht es nun. Er kündigt eine Anzeige an; wegen „Wucherei“. Die Staatsanwaltschaft solle sich ebenfalls mit der Preiserhöhung beschäftigen – bis Ende Juli soll eine neue Hausbetreuung gesucht werden.
Im Büro Wohnbaustadtrat Michael Ludwigs heißt es: „Wenn es Unregelmäßigkeiten bei Wiener Wohnen gibt, ist es in unserem Interesse das sofort aufzuklären.“ Dass sich Mieter an die EU wenden, damit hat Ludwig kein Problem: „Das ist deren gutes Recht.“
AUF EINEN BLICK
EU-Kommission und Staatsanwalt untersuchen den Vorwurf der Wucherei gegen Wiener Wohnen bzw. ob Wiener Wohnen gegen Ausschreibungsgesetze verstoßen hat – nachdem die Preise für Grünflächenbetreuung exorbitant angehoben wurden. ("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.06.2008)
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Ein paar
Anmerkungen des MBR zum Artikel von Herrn Stuhlpfarra (Ätsch, jetzt sind wir quitt!):
Der Verdacht: Gegenüber der EU-Kommission wurde kein Verdacht geäußert, sondern um
Prüfung auf Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen ersucht.
70 Cent pro Quadratmeter: Derzeit kolportierter, weitgehend unverhandelter Marktpreis - der zuletzt beauftragte Gärtner verlangte 2006 sogar nur 60 Cent pro Quadratmeter (alles Angaben p.a. exkl. MWSt.).
EU-Kommission (Bereich Konsumentenschutz): Es wurden die DG Consumer und die DG Competition eingeschaltet - die DG Competition hat offenbar das Verfahren eröffnet.
Einem weiteren Mieterbeirat: Na ja, nur so weit ein "weiterer" als G.Kuchta eben der zweite der "evil twins" ist!
eine neue Hausbetreuung: Eine neue HausVERWALTUNG - ein kleiner, aber doch riesengroßer Unterschied.
„Wenn es Unregelmäßigkeiten bei Wiener Wohnen gibt, ist es in unserem Interesse das sofort aufzuklären.“: Dazu ist nur zu bemerken, dass das Stadtratsbüro wenigstens bei den brisanteren Mails von uns Cc.-Empfänger ist - und man zumindest uns Mieterbeiräte seitens Wiener Wohnen weiterhin tunlichst von kontrollierbarem Material fern hält: Verträge alt/neu bezüglich Grünflächenpflege, angeforderter Leistungskatalog im Zusammenhang mit den Installateuren, Basis dafür, ...!